60 Kilometer, Regen, windig und "Klein Steini"
Die erste Runde ab in den Dovrefjell-Nationalpark stand an. Innerhalb von vier Tagen sind wir – oh war nicht Absicht, ist aber so – 60 Kilometer gelaufen. Ich habe die Höhenmeter noch nicht ausgerechnet, aber das waren schon Einige. Der Reihe nach:
Gestartet sind wir in zuerst mal in Trondheim und sind da wieder Richtung Süden, nach "Oppdal". Dort hat dann Onkel Andy gleich zwei Karten von der Gegend gekauft. Eigentlich wollte er ja eine "rote" Karte. Das sind nämlich diejenigen, die wir schon seit Jahren verwenden und eben in das bestehende System hineinpassen würden. Sie hatten aber nur "grüne" und "violette". Weil beide aber das konnten, was wir benötigen, haben wir halt beide gekauft.
Zu der Zeit bin ich übrigens noch in kurzen Hosen, T-Shirt und Barfuß auf dem Weg gewesen. Das hat sich dann sehr sehr schnell geändert. Am Ausgangspunkt von unserer Tour – nannte sich "Blokkhus", hat es zu schütten angefangen, als ob die Welt ertrinkt. Wir mussten als unsere Rucksäcke im nassen packen und uns selbst auch gleich anständig gegen den Regen schützen. Der Tag blieb so. Die ersten fünf Kilometer zur "Dindalshytta" hat es einfach durchgeregnet. Umso schöner, dass wir nach gut 1 1/2 Stunden auf der Hütte angekommen sind. Eine sehr große Hütte, mit Platz für gut 20 Personen. Und bis auf einen Deutschen, waren wir dort alleine. Echt super.
Auf der "Dindalshytta" hatte dann Düse und Sabrina ihre erste Begegnung mit "Kaker". Genauer mit "Joikakaker i Viltsaus". Das sind – für diejenigen die nicht norwegisch können – Rentierfleischbällchen mit einer "Cremesauce". Düses Kommentar dazu: "Als ob ma an liasa Leberkäs köüt." Sabrinas Kommentar: "I mag des nid.". ;-). Mir war das nur recht. Onkel Andy hatte sowieso seinen Riebel vom Vortag noch und ich konnte dann doch noch ausessen.
Noch was. Als ich ins Bett wollte, hab ich doch tatsächlich ein eigenes Zimmer bekommen. Dass das Zimmer mit "Hundehütte - Hier schlafen die Vierbeiner" angeschrieben war, hab ich natürlich erst am nächsten Morgen mitbekommen.
Der zweite Tag war von der Strecke her der längste. 21 Kilometer in sieben Stunden! Wobei ich habe dafür leider acht Stunden benötigt. Das war echt heftig. Ewigkeiten den Berg rauf, dann in einer Mischung aus Regen und Sturm eine Ewigkeit geradeaus. Als ich schon dachte, wir sind am Ziel, kam dann noch die Überraschung. Nochmal drei Kilometer um einen See rum. Als Belohnung kamen wir dann – früher oder später – auf der "Loennechenbua" an. Eine kleine – wirklich Kleine – Schutzhütte, die im Normalfall genau für zwei Personen Platz hat. Problem. Großes Problem!!! Weil da war schon eine holländische Familie (vier Personen) auf der Hütte. Wir waren auch zu viert!!! Jetzt dürft ihr raten, wie wir das gerichtet haben. Klar, oder? Nicht? Also, das Problem haben wir wie folgt gelöst: Wir haben die Hütte komplett bis auf die Betten ausgeräumt. Dann haben wir zwei Betten der dänischen Familie überlassen. Die zwei Notbetten lagen am Boden und auf denen hat dann Onkel Andy und Sabrina geschlafen. Düse hatte Glück. Auf der Rückseite der Hütte, dort wo es am wenigsten geregnet hat, war eine Holz aufgeschichtet und mit einem Blech abgedeckt. Wir haben da einfach rundum etwas von den Holzscheiten abgetragen. Gerade soviel, das Düse samt Schlafsack hineingepasst hat.
Tja und ich durfte dann wieder mal auf der Seite der Hütte – an der Außenseite – auf ein paar rumliegenden Holzbalken schlafen. Zum Schutz vor dem Regen, haben die Jungs mir einfach eine zerfetzte Plane am Dach der Hütte mit Steinen angemacht. Als ich in der Nacht mit Schmerzen aufgewacht bin, war die Ursache dann auch gleich gefunden. So ein Felsen hat sich nämlich gelöst und traf meinen linken, kleinen Zehen. Seither hab ich dort einen Verband und nenne den Zehen nur noch "Klein Steini".
Am dritten Tag sind wir dann recht früh aufgebrochen und sind 15 Kilometer ins Tal zur "Gammelsetra" abgestiegen. Das erste Drittel der Strecke mussten wir über sehr viele Geröllsteine rüber klettern. War nicht so angenehm. Auch "Klein Steini" hat sich dabei seinen Teil gedacht. Umso schöner dann die Ankunft in "Gammelsetra" (Gammel = "alt", also "Alte Alpe"). Eine wirklich heftig tolle Hütte. Da waren dann auch gleich mehrere Hütten. Vier oder fünf. Echt toll. In mindestens drei Hütten war Platz ohne Ende. Eine davon war nur für die mitgeführten Hunde und Eier (ja, Eier... versteh ich auch nicht). Ich durfte aber wegen "Klein Steini" doch in einem normalen Bett schlafen. War echt toll. Die Hütten selbst waren übrigens nicht gerade hoch gebaut. Für unsere beiden Zwerge aber grad richtig.
"Klein Steini" hat sich über Nacht gut erholt. Er steht jetzt zwar ohne Verband etwas links weg, aber das geht schon. Um überhaupt laufen zu können, muss ich ihn eh anständig an die anderen Zehen binden. Die dunkelblaue Farbe macht mir zwar etwas Sorgen, wichtiger ist aber, dass wir auf unserer letzten Tagesrunde sind. Es geht schön gemütlich 19 Kilometer das Tal hinaus, vorbei an der "Dindalshytta" und weiter zum "Blokkhus" zum Auto.
Vorbei an zahlreichen Seen war es zuerst eine gemütliche Straße. Die wurde dann wieder zu einem Trampelpfad und dann war es wieder eine Kiesstrasse. Kurz vor der "Dindalshytta" war dann noch eine Alpe, die von den Norwegern auch als Naherholungsalpe genutzt wird. Allerlei Viecher waren da ausgestellt. Kleine Kühe, Hasen, Hunde, Hennen, Gügalar. Da gab es dann auch Kaffee, Waffeln, Speck, Brot - halt wie bei uns auf der Alpe. Voll lecker. So gestärkt hatten wir dann noch gut 1 1/2 Stunden zum Auto. Wobei vorher schon ausgemacht worden ist, dass Onkel Andy und Sabrina bis zum Auto laufen und ich und Düse nur mehr bis zur Wegschranke. Das waren so gut zweieinhalb Kilometer weniger. "Klein Steini" war darüber natürlich nicht wirklich böse. Warum er aber seine normale Farbe nicht mehr angenommen hat, ist und bleibt ein Rätsel.
Zum Schluß: Das einzige wilde Tier, dass wir auf unserer Viertagestour gesehen haben, war ein Frosch. Und bei dem musste sich logischerweise Sabrina echt zurückhalten um ihn nicht zu küssen. Ihre Argumentation war wie folgt: "Wenn ich den Frosch jetzt küsse, dann hab ich möglicherweise zwei Frösche zuhause".